Der Umgang mit Corona – kann man als Führungs-Person daraus was lernen?

Wir melden uns erst jetzt zu Corona, weil wir uns zum einen selbst sortieren mussten in dieser schwierigen Zeit, wo massenhaft die Geschäfte einbrachen, Trainings-Veranstaltungen abgesagt und Beratungs-Projekte verschoben wurden und weil wir zum anderen ein bisschen beobachten wollten, was bemerkenswertes passiert ist in den letzten Wochen und welche Anregungen daraus für Führungs-Personen im Umgang mit einer derartigen Herausforderung gewonnen werden können.

Wir wollen uns zunächst auf 2 Faktoren beschränken:

  1. Krise und schneller Focus auf „das Wesentliche“ („den Laden am Laufen halten“)Viele Unternehmen haben in der Krise gelernt, sich ganz schnell auf zwei wesentliche Aspekte für das Überleben zu konzentrieren: A) welche Möglichkeiten haben wir Kosten zu drücken, zu verschieben, Schuldendienste neu aufzustellen, staatliche Unterstützung zu beantragen? B) Was können wir gut und wie können wir uns bei unseren Kunden im Gespräch halten und ihnen trotz Verboten/Einschränkungen vielleicht was bieten (es konnte u.E. viel Kreativität beobachtet werden wie z.B. Essen to go von eigentlich geschlossenen Restaurants).Damit eng verknüpft war das überwinden bisheriger Prozesse und mancher Regeln, um schneller zu Entscheidungen zu kommen bzw. schneller und klarer Handeln zu können. In manchen Fällen half auch der Austausch mit anderen Betroffenen, weil man sich dann nicht mehr allein fühlte und in gewisser Weise Solidarität empfand (was sich ja insgesamt in den letzten Monaten stark zeigte) und weil dort auch neue Ideen entstanden.Mitnehmen kann man also, dass es nützlich ist, sich klarzuwerden, was man mindestens braucht, um die nächste Zeit überleben zu können und was man kann, um einerseits weiterhin Kontakt mit dem Kunden zu halten und ihn andererseits mit abgewandelten oder neuen Angeboten zu bedienen, teilweise auch zu überraschen. Dies trifft auf neue Ansprüche an Führung unter agilen Bedingungen: Führung sollte eher ruhig agieren und beruhigen können, dazu beitragen, dass Situationen offen angesprochen und gemeinsam durchdacht werden können, dass Focussiert wird auf „das Wesentliche“ und ein Raum geschaffen wird – ggf mit verteilten Rollen – in dem Ideen entwickelt, ihre Effekte abgewogen und dann entschieden werden, in dem nach dem Handeln die Folgen ausgewertet (Feedback-Schleifen) und die nächsten Schritte geklärt werden. Natürlich braucht es die Bereitschaft, Risiken einzugehen, mutig zu sein und sich dann, wenn eine Maßnahme nicht hilfreich bzw. erfolgreich war, dem auch zu stellen und die Verantwortung zu übernehmen. Irritation, Ärger, u.a. Gefühlslagen haben ihren Platz – ebenso wie unterschiedliche Sichtweisen – denken Sie daran, dass genau das oft der Ausgangspunkt für eine geile Idee ist. Und so entsteht auch gegenseitiges Vertrauen und damit das für das Überleben wichtige „wir schaffen das“.
  1. Krise, mangelnde Fakten und neues ErlebenWie wir das von unserem Führungspersonal in der Regierung kennen, wurden erste Signale zur Ausbreitung und Gefährlichkeit des Virus sehr spät (ca. 2-3 Monate nach dem ersten Hinweis von Medizinern) ernstgenommen und dann – nochmal mit Verzögerung – an uns Bürger weitergegeben. Und dann zunächst noch in verharmlosender Art und Weise. In der Hoffnung, man könne so weitermachen wie bisher. Das hat zu Beginn zu Verunsicherung und Vertrauensverlust (wer das nicht eh schon hatte) geführt.Dann haben aber diverse Akteure verstanden, wie schnell das Virus um sich greift und welche Gefahren sich für die Gesundheit der Menschen und für das Gesundheitssystem daraus ergeben: von nun an gab es täglich eine Pressekonferenz des Gesundheitsministers in Begleitung von Wissenschaftlern des Robert-Koch-Instituts – ergänzt durch unzählige Informationssendungen zum (besonderen) Virus, zum (unklaren) Krankheitsverlauf mit teilweise ebenso unklaren mittel- und langfristigen Folgewirkungen, zum Gesundheitssystem und seinen Möglichkeiten (was einige Wahrheiten über die Folgen der Sparpolitik der letzten Jahre in diesem Bereich nochmal deutlich machte) sowie zur Medikamenten-Entwicklung (wie lange dauert die Entwicklung eines Impfstoffs?, wie abhängig sind wir bei welchen Rohstoffen – ironischerweise von China und Indien?).

Was kann man daraus lernen?

Unklarheit haben wir Menschen nicht gerne – wir empfinden dabei Angst, Unsicherheit, u.a. und reagieren mit Panik oder Lähmung oder total rational (je nach Typ). Oft wird dies in der Führungsliteratur als „neue Herausforderung“ deklariert, dass man unter agilen oder digitalen Bedingungen mehr mit Unklarheiten klarkommen müsse. Es scheint zu helfen, wenn man sich klarmacht, was man in dieser Situation mindestens erreichen (Senkung der Infektionsquote) und auf jeden Fall vermeiden will (weiterhin exponentiell steigende Infektionszahlen und Überlastung des Gesundheitssystems). Es scheint auch zu helfen, wenn man die mangelnden Fakten über Probehandeln erzeugt und sich die Erkenntnisse dazu immer wieder klarmacht (in diesem Fall mit Hilfe von erfahrenen Fachleuten).

Man sollte sich diese Situation mit Hilfe der Stacey-Matrix klarmachen: dort wird deutlich, dass wir uns mit unserem Handeln an der Grenze zwischen Complex und Chaos befinden und wir insofern davon ausgehen können, dass klassische Management-Konzepte mit dem 3-Schritt Analyse, Planung, Controlling der Umsetzung, scheitern werden.

Vielmehr braucht man ein Konzept wie oben beschrieben: gemeinsame Orientierung für die ersten Schritte herstellen, Probehandeln, um überprüfbare Fakten zu schaffen (wie hat sich die Situation verändert? Inwieweit war unser Handeln dafür maßgebend?), gemeinsame Auswertung und Abwägung der Konsequenzen für die nächsten Schritte (Hypothesen bilden, Szenarien bauen, Folgewirkungen beachten). Wir finden ein solches Konzept z.B. bei Appelo, 2011) und teilweise auch bei Kotter („Ambidextrie“, 2014). Damit verbunden ist das Denken „out of the box“ – also sich mit den Beziehungen zu den Kunden, den Lieferanten usw. neu zu beschäftigen und diesmal nicht nur unter Kostengesichtspunkten, sondern unter dem Aspekt „schnelle Handlungsfähigkeit“ und „Abhängigkeiten reduzieren“.  Führung sollte an dieser Stelle aber verstehen, dass sie sowieso nicht alles selbst oder nur in einem kleinen Kreis machen kann, sondern dass sie zukünftig mehr auf den Einsatz „dezentraler Intelligenz“ setzen sollte und kann. Einiges davon kommt Ihnen vielleicht aus den Prinzipien zum „agilen Arbeiten“ bekannt vor.

Noch ein wichtiges „learning“: Der Umgang mit Unsicherheit, Unklarheit, mit den mangelnden Eingriffsmöglichkeiten usw. ist aber keine Sache für das „stille Kämmerchen“; vielfach wird ja immer noch davon ausgegangen, dass sich Führungspersonen dem Credo „wir beherrschen alles“ (was ganz stark auch eine Selbstüberzeugung von Männern ist) unterwerfen und daher Obiges mit sich selbst ausmachen sollten. Heute weiss aber jeder, dass auch Führungsleute Angst haben und dass sie grade in Krisenzeiten glaubwürdiger wirken, wenn sie über ihre Gefühle sprechen und ihren Mitarbeitern nichts vormachen. Natürlich ist genau das eine „Kunst“: es braucht Formulierungen, die „Schwarzmalerei“ und Panik vermeiden, die vielmehr dem Austausch von Gefühlen, von Einschätzungen, von Ideen usw. „auf Augenhöhe“ dienen.

Im günstigen Fall befördert dies die Bereitschaft, ggf nötige Einschränkungen zu akzeptieren, mitzuwirken an der Ideenentwicklung und dem Erproben von Neuem, an der fachlich-sachlichen Auswertung gemachter Erfahrungen, dem Management und dem Prozess zu vertrauen und auch selbst Verantwortung zu übernehmen. Natürlich muß das ergänzt werden durch Erlaubnis (Enabling) und Herstellen von Situationen, in denen man das lernen kann.

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